Landschaftsarchitekten und Qualitätsmanagement

redaktionell zwar nur leicht verändert, jedoch mit wesentlich reduziertem Literaturverzeichnis veröffentlicht in: Garten und Landschaft 4/96, S. 42 - 44

Brauchen Landschaftsarchitekten "Qualitätsmanagement-Systeme" ?

- Aber ja doch !!!

(Die ebenfalls in Garten + Landschaft publizierte Gegenmeinung, dort formuliert vom fr. Landschaftsarchitekten BDLA Hans-Detlef Schulze, kann hier leider nicht wiedergegeben werden, da mir der Text nicht digital zur Verfügung steht (s. Garten + Landschaft 4/96, S. 42))

  • Auf die Anfrage eines Abgeordneten im bayerischen Landtag, ob denn durch die gängige Art der Vergabe und Honorierung landschaftsplanerischer Leistungen gewährleistet sei, daß in den beauftragten Planungsbüros auskömmlich und damit qualitätvoll gearbeitet werden könne, die Mitarbeiter also entsprechend dem Bundesangestelltentarif (BAT) bezahlt würden, konnte die bayerische Landesregierung Positives berichten: Es sei durchaus gewährleistet, daß "branchenübliche Gehälter" gezahlt würden (der Gegensatz zwischen BAT- und "branchenüblichen" Gehältern wurde wohl bewußt nicht vertieft)!

  • Auf die Mitteilung, daß Kartierungsarbeiten nicht zu den Grundleistungen gemäß HOAI gehören, reagierte nicht so sehr die Auftraggeberseite als vielmehr eine Reihe von freischaffend tätigen Kollegen Landschaftsarchitekten und -planer voller Verblüffung (eigene Erfahrung als Folge diverser Veröffentlichungen hierzu Anfang der 90er Jahre)!

  • Die letzte empirische Untersuchung zu "Wirtschaftlichkeit und Kalkulation von Landschaftsplänen" stammt aus dem Jahr 1979 (KÜHNEL 1979). Eine Aktualisierung ist geplant, benötigt jedoch viel Vorlauf (offenbar mindestens 20 Jahre!), da die Forscher "bei derartigen Fragestellungen auf die Unterstützung unserer Kollegen in der Praxis angewiesen sind" (ROTHENBURGER brfl. 1994)!

Was haben nun diese Feststellungen mit "Qualitätsmanagement" zu tun ?

Meine These hierzu:

"Landespfleger" lernen während ihrer Ausbildung viel zu wenig über die ökonomischen und organisatorischen Notwendigkeiten ihrer späteren Berufspraxis.
Sie sind daher offenbar zum großen Teil nicht in der Lage, die sich ihnen bietenden Chancen einer Systematisierung ihrer Arbeit durch Einführung eines Qualitätsmanagement-Systems zu erkennen, sondern üben sich in dem altbekannten "aus-dem-Bauch-Bullern" nach dem Motto "Das haben wir ja noch nie gemacht, wo kämen wir denn da hin".

Nach (vielleicht noch zu oberflächlicher) Befassung mit dem Thema (vgl. nachfolgende Literaturliste) daher ein paar Fakten und Thesen, die vielleicht zum Nachdenken anregen:

  1. Qualitätsmanagement, so wie es durch die DIN EN ISO 9.000 ff. normiert wird, ist nichts weiter als Büroorganisation, hat also rein gar nichts mit der Qualität der Planung im Sinne z.B. der gestalterischen Leistung zu tun! Es geht vielmehr um die Optimierung von Büroabläufen und -verfahren: Wer könnte hiergegen etwas haben?

  2. Es besteht absehbar keinerlei Zwang zur Einführung eines Qualitätsmanagementsystems! Sowohl Bundesbauminister Töpfer als auch Staatssekretär Kolb aus dem Bundeswirtschaftsministerium haben verschiedentlich betont, daß die Bundesregierung auch zukünftig nicht dafür eintreten wird, bei öffentlichen Aufträgen das Vorhandensein eines Zertifikats nach ISO 9.000 ff. zur Voraussetzung der Auftragsvergabe zu machen. Auch große private Auftraggeber wie z.B. die DEGES äußern sich z.Zt. (noch ?) in diesem Sinne.

  3. Ingenieure, die ein QM-System eingeführt haben, berichten über Kostenreduktion von schätzungsweise drei Prozent (z.B. infolge zurückgehender Suchzeiten). Sind Landschaftsarchitekten masochistisch veranlagt, daß sie diesen Effekt gering schätzen?

  4. In Büros mit einem QM-System wissen alle Mitarbeiter jederzeit, in welcher Leistungsphase der HOAI sie gerade arbeiten, ob sie eine Grund- oder eine Besondere Leistung im Sinne der HOAI erbringen. Kann das von Nachteil sein?

  5. Büros mit einem QM-System sind in der Lage, dem Berufsverband (oder einem Gutachter) jederzeit "auf Knopfdruck" Daten über abgeschlossenen Projekte an die Hand zu geben, die diese für die Fortschreibung der Honorarordnung benötigen. Wer jemals in der Vergangenheit den Versuch unternommen hat, solche Daten zu erheben, weiß, wie die Möglichkeiten hierzu z.Zt. aussehen.

  6. Büros mit einem QM-System haben es nicht nötig, "Freie Mitarbeiter", die in Wahrheit doch wie Angestellte arbeiten (nur nicht so bezahlt werden), zu beschäftigen. Sie bezahlen ihre angestellten Mitarbeiter nicht "branchenüblich", sondern (mindestens) nach BAT.
    - Eine Utopie?

  • Die Kosten für den Akt der (Erst-)Zertifizierung werden von der ZAID ("Zertifizierungsstelle für Architekten und Ingenieure in Deutschland") für kleinere Büros (bis zu 10 Mitarbeitern) mit ca. 3.500,-- DM, für mittlere Büros (10 - 20 Mitarbeiter) mit ca. 5.500,-- DM, für große Büros (20 bis 100 Mitarbeiter) mit ca. 9.200,-- angesetzt.
    Das ist in etwa das, was man heute für "bessere" Standard-Software ohne weiteres ausgibt.

  • Der Aufwand für die Vorbereitung der Zertifizierung (Vorarbeit im Büro selbst, z.B. die Erarbeitung eines QM-Handbuchs) ist umso geringer, je besser die Organisationsstrukturen bereits vorher eingeführt und dokumentiert waren. Hierfür können daher keine Faustzahlen genannt werden.

Mein Fazit:

Die Diskussion um Qualitätsmanagement-Systeme und Zertifizierung bietet auch den Landschaftsarchitekten die Chance, ihr Büroorganisation zu verbessern und damit wettbewerbsfähig "am Markt" zu bleiben. Letztlich werden dadurch die Freiräume für das erhalten oder sogar erweitert, was wohl den meisten noch mehr Spaß macht als das (sei es noch so ausgetüftelte) Organisieren:

Die Freiheit und Kreativität bei der Bewältigung der inhaltlichen Anforderungen des Berufs.

ZAID
Zertifizierungsstelle für Architektur- und Ingenieurbüros

Vertiefende Literatur speziell für das Planungsbüro:

ARCHITEKTENKAMMER HESSEN (Hrsg.): Organisation im Architekturbüro - Qualitätsmanagementsysteme - Leitfaden zur Erstellung eines QM-Handbuches.- Informationsreihe für Architekten 13, 2. Aufl. Dez. 1994

BRASCHEL, R.: Für Gesamtplanungen bietet ein QM-System entscheidende Vorteile.- Deutsches Ingenieurblatt Dez. 1994, S. 6 - 7

BUCHNER, P.: Projekt Zertifizierung. Erfahrungen bei der Einführung eines Qualitätsmanagementsystems.- Beratende Ingenieure Dez. 1995, S. 36 - 38

FRICKE, K.-L.: Bauplanung und Qualitätssicherung. Zur aktuellen Diskussion pro und contra Zertifizierung.- Beratende Ingenieure Juni 1995, S. 46 - 49

FTBI/VUBI/USSI (Hrsg.): Qualitätssicherung im Ingenieurunternehmen. Praktische Anwendungen und Konsequenzen (3. Internationales Symposium am 28.4.1995 in Salzburg)

GEIS, P.: Der Knopf im Ohr des Landschaftsarchitekten. Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 9000 ff.- Landschaftsarchitektur 04/95, S. 15 - 16

GEYER, H.H.: Qualitätsmanagement im Planungsbüro. 16 Antworten auf 16 häufige QMS-Fragen.- Deutsches Ingenieurblatt Sept. 1995, S. 38 - 43

GLAUBITZ, D.: Managementsysteme im Ingenieurbüro. Qualität ist die Sache eines jeden einzelnen.- Deutsches Ingenieurblatt April 1995, S. 30 - 34

KAUP. P.: Das Qualitätsmanagement in den Architekturbüros.- Deutsches Architektenblatt 2/95, S. 234 - 235

MEIHORST, W.: Architekt und Ingenieur 2000 - zertifiziert und digitalisiert.- Deutsches Architektenblatt 7/95, S. 1252 - 1253

PETERSON, T.: Qualität nach Norm: Nutzeffekte können nur vermutet werden.- Landschaftsarchitekten 2/1995, S. 9

PORTZ, E. & W. HAACK: Qualitätsmanagement in Architekturbüros.- in: WEEBER (Hrsg.): Bauleitung und Projektmanagement für Architekten und Ingenieure, 10. Erg.-Lfg. Oktober 1994, Teil 2/2.12.1, S. 1 - 4

NOACK, E.: Qualitätssicherung im Consultingunternehmen. Inhalt, Probleme, Lösungsansätze.- Beratende Ingenieure 10-1993, S. 26 - 33

PUNKE, N.: Qualitätsmanagement im Ingenieurbüro. QM-Systeme kosten weniger als viele Fehler.- Deutsches Ingenieurblatt Juli/Aug. 1995, S. 21 - 26

ROBL, K.: Qualitätsmanagement wird sich etablieren.- Baugewerbe 4/94, S. 45 - 50

RÖSCH, W.: Streit der Architektenkammern um Qualitätssicherung und Zertifikat.- in: WEEBER (Hrsg.): Bauleitung und Projektmanagement für Architekten und Ingenieure, 10. Erg.-Lfg. Oktober 1994, Teil 2/2.12.2, S. 1 - 27

VUBI/TB/USSI (Hrsg.): Qualitätssicherung im Ingenieurunternehmen (2. Internationales Symposium am 15.4.1994 in München)

WALTER, H.: Qualitätsmanagement im Planungsprozeß. Erfahrungen bei der Einführung eines Qualitätsmanagementsystems im Planungsbüro.- Beratende Ingenieure Mai 1995, S. 54 - 57

WLOKA, M.: Akkreditierung und Zertifizierung - Was müssen die Ingenieurbüros darüber wissen?- Deutsches Ingenieurblatt Jan./Feb. 1994, S. 104 - 110

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(Seiteninhalt zuletzt bearbeitet am 03.05.2004)
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